Bildvergleiche
In den vergangenen Jahren haben wir vom BUND Naturschutz in Bayern e.V. tausende von Fotos aus alten Bildarchiven digitalisiert. Viele dieser Landschaftsaufnahmen schlummerten und schlummern noch in privaten Bildbeständen. Gerade Diaaufnahmen, die etwa ein halbes Jahrhundert alt sind, erreichen nun ihre Haltbarkeitsgrenze. Schlimmstenfalls drohen sie im Erbschaftsfall im Müllcontainer entsorgt zu werden. Das Internet und die technische Entwicklung ermöglichen nun, diesen Schatz zu heben und ihn zu bewahren.
Ein einzelner Blick, eine einzelne Fotografie ist eine Momentaufnahme. Landschaftswandel lässt sich daraus nicht ablesen. Das Verknüpfen, das Vergleichen, das „Übereinanderlegen“ mehrerer Aufnahmen desselben Ortes aus verschiedenen Zeiten aber zeigt uns, wie Wachstum, Bauten, Umbau oder Zerstörungen das Land verändert haben. Landschaften, wie auch Menschen, zeigen erst in der Veränderung und langfristigen Entwicklung ihr wahres Wesen, ihre Energien, Gefährdungen und Zukunftschancen. Heimat ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Im fotografischen Zeitvergleich bewahrt man Entwicklungen, in denen man bisher nur als blinder Passagier mitschwamm. Auch als Zeitgenosse des Prozesses ist man überrascht, betroffen oder auch positiv angerührt, je nachdem.
Häufig wird man von einer Stelle mehrere historische Bilder, aber keine aktuellen Vergleichsaufnahmen finden. Und genau da kommen Sie ins Spiel: Wenn Sie den Platz kennen oder sich zutrauen, ihn zu finden, fotografieren Sie das alte Bild nach – möglichst von exakt demselben Standpunkt aus und deckungsgleich.
Beispielhafte Vergleiche:
1969 - 2009 Altdorf, Landkreis Landshut
Die im Jahr 864 zum ersten Mal exakt unter diesem Namen in einer Urkunde des Klosters Niederaltaich erwähnte Gemeinde bildet einen Vorort von Landshut. Innerhalb von 40 Jahren kam es zu einem starken Bevölkerungswachstum auf jetzt 12.000 Einwohner. Die bebaute Fläche hat sich im Bildausschnitt fast verdoppelt. Im Hintergrund ist die neue Autobahn A 92 zu erkennen. Das Gewerbegebiet drängt sich in die Aue der Pfettrach – deren vorher begradigter Lauf wurde aber 2008 auf einer Länge von 850 m renaturiert.
1954 - 1983 Bei Aufhausen, südlich Erding, Landkreis Erding
Auch die Staatsstraße 2080 zwischen Erding und Marktschwaben war wie viele andere in Südbayern mit Obstalleen gesäumt, meist alte und robuste, oft nicht mehr existente Apfel- und Birnensorten. Aus dem vergorenen Fallobst auf der Straße stiegen Wolken von Schmetterlingen auf, wenn ein Fahrzeug kam. Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau pflanzten immer wieder nach, aber gegen das große Obstbaumsterben ab 1960 zugunsten der „Verkehrssicherheit“ waren sie machtlos. „Sichtschutzwände“ aus Mais versperren heute den Fernblick in das Landschaftsschutzgebiet Sempttal hinüber zur Kirche von Wörth.
1955 - 1986 Lech beim Kreuter Steg südwestlich Schongau, Landkreis Weilheim-Schongau
1955 schien der Lech noch ein echter Wildfluss. Bis 1954, als der Kopfspeicher Forggensee zum ersten Mal geflutet wurde, veränderte jedes Hochwasser die Schotterbänke, schuf neue Brutplätze für Flussseeschwalbe, Flussregenpfeifer und Flussuferläufer, brachte Samen der Alpenpflanzen. Auf den Kies- und Sandbänken lebten Deutsche Tamariske, heute Zielart der Europäischen FFH-Richtlinie, Zwergrohrkolben (heute deutschlandweit ausgestorben), Silberwurz, Kies-Steinbrech, Steintäschel, Gefleckte Schnarrschrecke und Kiesbankhüpfer.
1985 ertrank das gesamte Wildfluss-Ökosystem in den Fluten der Staustufe Dornau, gebaut zur Hochwasserfreilegung und Energiegewinnung. Hat der Staustufenbau einmal begonnen, folgt die Sohleneintiefung durch das Geschiebedefizit und weitere Staustufen sind die Folge. Der gesamte Lech mit Ausnahme der vom BN, Prof. Otto Kraus und Anton Micheler erfolgreich verteidigten Litzauer Schleife ist heute eine Staustufenkette. Heute verläuft die neue B 17 mit einer großen Brücke mitten durch das Bild.